Nur der Fuchs rührte den Uropa zu Tränen

Adrian Goiginger erzählt in „Der Fuchs“ die ungewöhnliche Geschichte seines Urgroßvaters im Zweiten Weltkrieg. Der Regisseur und sein Hauptdarsteller Simon Morzé im Gespräch über den berührenden Film

Eine Geschichte aus seiner eigenen Familie war für Adrian Goiginger der Türöffner in die Filmwelt. In „Die beste aller Welten“ schilderte er autobiografisch das Aufwachsen bei einer heroinsüchtigen Mutter. Danach nahm sich der Salzburger der Geschichte seines Urgroßvaters Franz Streitberger an.

„Es war tatsächlich die allererste Filmidee, die ich hatte“, sagt Goiginger. „Als ich vierzehn war, hat er angefangen, mir von seiner Kindheit zu erzählen, seiner Jugend in der Zwischenkriegszeit und vom Krieg. Als er von dem Fuchswelpen erzählt hat, den er als Soldat in Frankreich gefunden hat und bei sich hatte, hat mich das richtig gepackt. Das war das erste Mal, dass ich meinen Uropa richtig emotional erlebt habe. Obwohl das schon siebzig Jahre her war, hat ihn das noch immer zu Tränen gerührt.“ Ansonsten sei Streitberger, der beinahe 100 Jahre alt wurde, schwer zugänglich und introvertiert gewesen.

Kurier / Gerhard Deutsch

Regisseur Adrian Goiginger bei der Wien-Premiere im Gartenbaukino

Suche nach Gründen

Er habe sich als Teenager immer wieder gefragt: „Wofür muss dieser Fuchs gestanden sein? Was liegt da psychologisch drinnen? Diese Suche nach den Gründen hat alles ins Rollen gebracht.“

Die Umsetzung traute sich Goiginger erst ab 2017 mit dem Rückenwind durch den Erfolg von „Die beste aller Welten“ zu. Manches habe er beim Schreiben fiktionalisiert, „damit es eine runde Geschichte wird.“ Aber die biografischen Daten stimmen, sagt Goiginger. Es begann in bitterer Armut auf einem Bergbauernhof im Pinzgau der 1920er-Jahre, „Er war das jüngste von zehn Kindern, wurde zu einem Großbauern weggegeben, musste dort als Knecht, eigentlich wie ein Sklave, arbeiten. Dann ließ er sich vom Bundesheer anwerben, wurde schließlich Soldat der Wehrmacht. Aus seinen Geschichten hätte ich auch vier Stunden Film machen können.“

Vier Jahre schrieb er an der Geschichte, in der der Umgang des Motorradkuriers mit dem Fuchs mitten in Hitlers Frankreich-Feldzug auch eine Art Spiegelung der Beziehung zum eigenen Vater (gespielt von Karl Markovics) zeigt. „Ich denke schon, dass er es selbst so empfunden hat. Der Fuchs war nur meiner, hat er gesagt. Ich lese da schon heraus, dass er für den Fuchs der Vater war, den er sich selber gewünscht hätte.“

Ab 2018 wurde mit Tiertrainern gearbeitet, dass ein Fuchs in einem Film eine tragende Rolle spielt, war auch für diese Neuland. Die Tiere mussten auch an das Motorrad gewöhnt werden, in dem Streitberger im Film seinen Fuchs vor den Befehlshabern versteckt. Es gab auch ein militärisches Trainingslager für die Schauspieler. „Das war sehr zeitaufwendig, aber nötig, um jene Authentizität zu ermöglichen, die mir wichtig ist“, sagt der 31-Jährige.

Der Film musste – obwohl das unökonomisch ist – weitgehend chronologisch gedreht werden, „weil die Füchse extrem schnell wachsen“, erklärt Goiginger. „Wir hatten insgesamt sechs Füchse, damit wir wenigstens ein bisschen tricksen können. Auf dem Set muss alles auf die Tiere und ihre Trainer abgestimmt werden. Meistens gab es ein ,Closed Set‘, wie wenn man zum Beispiel Sex-Szenen dreht und nur ganz wenig Crew beim Drehen da ist.“

Füchse großgezogen

Hauptdarsteller Simon Morzé hat die Füchse mit großgezogen, damit sie sich an ihn gewöhnen. „Ich habe die Fuchswelpen gleich nach der Geburt getroffen, als sie die Augen noch geschlossen hatten“, erzählt Morzé. „Ich habe sie im Arm gehalten und mit Milch gefüttert, damit sie mich riechen. Ich hab’ sie gestreichelt, wir sind im Wald spazieren gegangen. Das war sehr wichtig. Füchse sind sehr scheu und betrachten alles Neue sehr skeptisch.“

Wenngleich Morzé das militärische Bootcamp als „schon heftig“ beschreibt („Den ganzen Stress hat man uns spüren lassen“), scheint das Dialect Coaching die größte Hürde gewesen zu sein. „Franz ist sehr wortkarg, was auch gut war, weil ich keine großen Monologe im Pinzgauerischen halten musste“, sagt er mit einem Lachen.

„Ich hatte natürlich Respekt davor, jemanden zu spielen, den es wirklich gegeben hat. Adrian hat mir Tonaufnahmen und Fotos gegeben und viel erzählt. Aber er hat auch gesagt: Wir machen unsere Sache, kein Re-Enactment. Das hat mir den Druck genommen. Ich habe mir dann dieses Trauma konkret vorgestellt, das Franz erlebt hat, als er weggegeben wurde zu diesem Großbauern, unter dem er sehr gelitten hat.“

Kurier / Gerhard Deutsch

Hauptdarsteller Simon Morzé, der im Film Franz Streitberger spielt

Kein politischer Film

Den Respekt vor dem schwierigen historischen Stoff habe Goiginger durch die lange Recherche verloren, sagt der Regisseur. Er habe viel mit Zeitzeugen und Historikern gesprochen. Das Grauen des Krieges kommt zwar vor, aber es entsteht nie das Gefühl, Franz wäre ernsthaft bedroht.

Das erste Kriegsjahr sei aus seiner Sicht „tatsächlich so“ für den Urgroßvater gewesen, sagt Goiginger. Beim Lesen von Tagebüchern habe er festgestellt: „Die Soldaten haben meistens nicht an große Ideologie gedacht, sondern: Wo schlafen wir morgen? Haben wir was zu essen? Wann sehen wir die Familie wieder?“

Er habe „die klare Entscheidung getroffen, dass ich keinen Kriegsfilm machen will, auch keinen politischen Film. Es sollte die Geschichte eines Menschen erzählt werden, der durch die Beziehung zu diesem Tier den Glauben an das Leben zurückgewinnt.“

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