Damit Russlands Präsident irgendwann für den Ukraine-Krieg verurteilt werden kann, bräuchte es ein Sondergericht. Aber Putins habhaft zu werden, ist momentan schwer vorstellbar
Wladimir Putin vor einem internationalen Gericht. Angeklagt und verurteilt für das schwerste aller Verbrechen: „Aggression“ – also der Überfall auf ein anderes Land, einhergehend mit allen Grausamkeiten und Vergehen, die ein Krieg mit sich bringt.
Undenkbar?
„Es ist keineswegs unmöglich, dass Putin eines Tages vor Gericht steht“, meint der Menschenrechtsexperte und ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak. Doch der Weg dahin ist lang und schwierig.
Zum einen die Beweislage: Wollte man den russischen Präsidenten etwa für die Massaker in Bucha zur Rechenschaft ziehen oder für den Beschuss des Theaters in Mariupol, in dem vermutlich Hunderte Menschen starben, müsste exakt nachgewiesen werden: Es war Putin, der den furchtbaren Befehl gab. Es war der russische Präsident, der die Folterung und Erschießung von zufällig vorbeiradelnden Zivilisten angeordnet hat.
Die Beweiskette
Die Ermittler des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (IStGH), ukrainische Behörden und andere internationale Teams sammeln bereits seit Monaten Beweise für russische Kriegsverbrechen in der Ukraine. Dennoch ist sich Nowak sicher, „dürfte es sehr schwierig sein, die Befehlskette hinauf bis zum russischen Präsidenten nachzuweisen.“
Putin aber könnte dennoch zur Rechenschaft gezogen werden – für „Aggression“ (bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen hieß es „Verbrechen gegen den Frieden“).
„Ja, Putin könnte angeklagt werden“, bestätigt die renommierte Völkerrechtsexpertin Astrid Reisinger Coracini von der Universität Wien. „Denn beim Tatbestand der Aggression muss es jemand sein, der in einer militärischen oder politischen Führungsposition ist. Es geht um die Entscheidungsträger, die die Macht haben, einen Staat in einen Krieg zu führen. Einfache Soldaten können dafür nicht angeklagt werden.“
Doch das nächste Problem stellt sich sofort: Vor welchem Gericht? Denn vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag kann solch ein Verfahren gegen Putin nicht stattfinden: Russland hat das römische Statut, auf dem der IStGH basiert, (ebenso wie die USA und China) nicht ratifiziert.
Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock war deshalb vergangene Woche die bisher prominenteste Politikerin weltweit, die sich offen dafür aussprach, neue Wege zu gehen: Ein Sondertribunal soll geschaffen werden. Zumal alle Staats- und Regierungschefs der EU zugesagt haben, „dass Russland sowie alle Täter und Mithelfer zur Rechenschaft gezogen werden“. Wie so ein Sondergericht genau aussehen könnte, ist noch offen: Es müsste aber außerhalb der Ukraine und mit internationalen Richtern besetzt sein.
Das nächste Problem: Die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates für solch ein Ad-hoc-Gericht wird es nicht geben – Russland hat hier ein Vetorecht.
Mehrheit der UN-Staaten
Doch mit einer Mehrheit in der UN-Generalversammlung, also aller UN-Mitglieder, könnte solch ein Sondergericht auf den Weg gebracht werden. „Der Einmarsch Russlands in die Ukraine wurde in einer ersten UN-Resolution mit einer deutlichen Zweidrittel-Mehrheit von 141 Stimmen verurteilt“, sagt Manfred Nowak. Dass eine Mehrheit der UN-Staaten solch einem Gericht zustimmen würde, sei also durchaus denkbar. „Und ich glaube, wenn der Westen gewichtige Verbündete in Lateinamerika, Afrika und Asien gewinnt, kann man so ein Tribunal auch nicht als rein westliches Gericht abstempeln.“
Doch bis es so weit ist, kann es noch Jahre dauern. „Und so lange Putin im Amt ist, ist es sowieso sehr unwahrscheinlich, dass man …read more
Source:: Kurier.at – Politik
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