Die Band Russkaja hat vor dem Start ihrer Album-Tournee beschlossen, aufzuhören. Gründer und Sänger Georgij Mazakaria spricht über den Krieg und über die Zukunft bei „Willkommen Österreich“.
Ein neues Album ist draußen. Damit beginnt üblicherweise eine intensive Zeit – mit Promotion, Konzerten, Kontakt zu den Fans. Die Wiener Band Russkaja hatte solche Wochen nun vor sich. Doch anstatt durchzustarten, setzte sie Freitag vor einer Woche, am Tag der Veröffentlichung, einen Knalleffekt völlig anderer Art und gab via Facebook ihre Auflösung bekannt: „Dies ist der traurigste Tag der Bandgeschichte nach 18 Jahren, aber der wütende Krieg in der Ukraine, den Russland am 24. Februar 2022 begonnen hat, macht es uns unmöglich, mit Image & Style weiterzumachen, die sich auf satirische Art und Weise der Sowjet-Thematik und Sprache bedienen.“
Der KURIER trifft Sänger Georgij Makazaria in einem kurdischen Lokal im siebenten Bezirk. Dort, wo er gerne Interviews gibt. In diesen Tagen ist das mediale Interesse besonders groß. „Super wäre gewesen, man hätte das viel früher bemerkt, auch beim Vorverkauf für unsere Konzerte“, sagt er schelmisch.
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Die Band (v.l.n.r.): Engel Mayr, Nicolo Loro Ravenni, Lea-Sophie Fischer, Makazaria, Hans-Georg Gutternigg, Dimitrij Miller. Drummer Mario Stübler (nicht im Bild)
Russenpop
Er spricht leise und zurückhaltend, legt das Smartphone, mit dem das Gespräch aufgezeichnet wird, auf eine Wasserpfeife, um nahe am Mikro zu sein. Auf diesen Spleen des Vokalisten wies auch die Süddeutsche Zeitung bei einem Interview im November 2022 hin. Betitelt war es so: „Darf man noch zu Russenpop tanzen?“
Solche Zuspitzungen gefallen dem gebürtigen Moskauer nicht. Zu Beginn der russischen Invasion blieb die Hoffnung, „dass sich das bald wieder legen könnte“. Aber: „Ich bin schon länger in die Richtung gegangen, dass es vorbei ist, habe es aber nicht wahrhaben wollen und weiter gemacht.“ In ihrer Abschiedserklärung wies die Band auch auf Hasskommentare hin. Was war letztlich der Auslöser, die Reißleine zu ziehen?
Makazaria: „Dass meine Kollegen Angst gezeigt haben, jetzt auf Tour zu fahren. Da habe ich gedacht: Okay, das ist schon too much.“
„Absurde“ Einladungen
Das Statement gab es auch in russischer Sprache, weil die Band auch dort „ein paar Fans“ hatte. .“Es gebe auch Leute, „die uns jetzt nach Russland einladen, um dort zu spielen, das ist natürlich absurd“, sagt er.
Das neue Album „Turbo Polka Party“ enthält starke Songs, die von Gitarrist Engel Mayr geschrieben und produziert wurden. Makazaria spricht vom „besten Album der Band“. Dass es nun auch das letzte ist und die druckvollen Lieder nicht mehr live gespielt werden, sei „ein Pikser auf der großen Schmerzfläche“, sagt er. Aber: „Es ist, wie es ist. Der Schmäh ist vorbei, die Wuchtl ist gar. Es geht sich einfach nicht mehr aus, egal, wie gut das war.“
Ein Fehler
Das sieht man gut anhand der Single „Russki Style“ aus dem Jahr 2021. Auch wenn diese live „abgeht wie Sau“, wie Makazaria sagt – der vor dem Krieg verfasste Text („Hast du gehört? Es sind die Russen wieder da. Ein Wodka für den Herrn und dann schreien wir Hurra!“) hört sich aktuell einfach problematisch an. Makazaria gibt zu: „Den Song drin zu lassen, war unser Fehler. Man hätte das umdichten oder neu aufnehmen müssen.“
Ein anderer Song heißt „New Life“. Songwriter Mayr hatte da zwar anderes im Kopf, aber: „Man kann es natürlich auf die Band umlegen“, meint Makazaria. „Wir werden jetzt alle ein neues Leben haben.“
Bei der ORF-Show „Willkommen Österreich“ werden die Musiker weitermachen. Derzeit sucht man als Showband noch einen neuen Namen. Zum Konzept verrät der Sänger: „Wir werden Covers spielen, aus verschiedensten Musikrichtungen. Die Auswahl wird einem Zufallsgenerator überlassen.“ Russische Texte werde es nicht mehr geben, musikalische Folklore-Elemente hingegen schon, „die sind nicht speziell russisch. Es gibt bei uns sehr viel Balkan- und Klezmer-Einflüsse.“
„Schaden für Generationen“
Makazaria denkt an die Anfänge zurück. 2005 begeisterte er sich für die Idee der „Russendisko“ und tat sich mit dem Ukrainer Dimitrij Miller zusammen. „Aber seit dem Krieg war es uns für uns beide immer schwieriger, weiterzumachen. Bei ihm war es überhaupt schlimm. Sein persönliches Umfeld hatte ihn ziemlich beschimpft, dass er unter so einem Namen spielt.“
Der Sänger sieht einen „Schaden für Generationen“. In TV-Talks über Krieg und Cancel Culture will er aber nicht auftreten. „Ich möchte kein Opfer mit trauriger Miene abgeben, nur weil ich mein Projekt verloren habe. Menschen verlieren in diesem Krieg Leben, Existenzen, ihre liebsten Menschen. Daher würde ich das nicht überbewerten. Viele Künstler haben Russland verlassen, versuchen, im Ausland weiterzumachen. Bei uns war es halt umgekehrt, die Exotik des Russischen war das Spannende. Das geht jetzt nicht mehr, weil die Exotik unter keinem guten Stern mehr steht.“