Am 6. Mai wird Charles gekrönt. 70 Jahre nach der letzten Krönung ist das mit den Traditionen des Empire nicht mehr so einfach.
Es gibt Momente, da kommen sogar Könige ungelegen. Am Sonntag sollte Charles’ Staatsbesuch in Frankreich beginnen. Doch das Gastgeberland ist wegen der aktuellen Protestwelle derart ins Chaos geschlittert, dass selbst im Präsidentenpalast in Paris die Bediensteten streikten. Keiner war mehr da, um den roten Teppich für den König auszurollen oder das Porzellan zu polieren.
Ständig läuft was schief
Zu guter Letzt wurde die Frankreich-Visite abgesagt. So bleibt dem königlichen Protokoll immerhin mehr Zeit, um die Krönung am 6. Mai vorzubereiten. Denn da läuft ständig irgendetwas schief. 70 Jahre sind vergangen, seit sich das gigantische Krönungszeremoniell zum letzten Mal in Bewegung setzte. Da aber aus dem damaligen Empire ein mittelgroßer Inselstaat geworden ist, der obendrein akute Zerfallserscheinungen zeigt, legen sich all die jahrhundertealten Traditionen quer und wollen nicht mehr so recht in die bescheidene Gegenwart passen.
Der indische Diamant
Das fing schon mit der Krone an, die Königin Camilla bei der Zeremonie tragen sollte. Das Herrscherpaar, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten peinlich bemüht, nur ja nicht zu viel Pomp aufzubieten, beschloss, statt eine neue Krone in Auftrag zu geben, eine aus der Sammlung zu nehmen. Die Wahl fiel auf jene, die Charles’ Großmutter Elizabeth trug, als ihr Mann George 1937 gekrönt wurde.
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Doch auf dieser Krone prangt der Koh-i-Noor-Diamant. Der ist nicht nur einer der größten, sondern inzwischen wohl auch einer der berüchtigtsten Edelsteine der Welt. Der aus Indien stammende Stein, der schon in unzähligen Kronen steckte, landete schließlich beim britischen Königshaus.
Schmerzhafte Erinnerungen
London nützte seine Rolle als Kolonialmacht und platzierte den Koh-i-Noor auf den gekrönten Häuptern seiner Herrscher. Seit Jahrzehnten fordern ihn Indien und Pakistan zurück. Und allein die Möglichkeit, dass der Stein schon wieder bei einer britischen Krönung zum Einsatz kommen könnte, veranlasste Indiens Premier Narendra Modi eine deutliche Warnung auszusprechen. Das würde „schmerzhafte Erinnerungen an die Kolonialzeit auslösen“. In London kam die Botschaft an. Der Stein wird nun aus der Krone entfernt.
Doch das ist nicht der einzige historische Stolperstein auf dem Weg zu Krönung.
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Beleidigte Schotten
Unter dem Thron, auf dem Charles an diesem Tag Platz nehmen soll, liegt nämlich traditionell der „Schicksalstein“. Auf dem saßen über Jahrhunderte Schottlands Könige. Als aus Schottland und England schließlich ein Königreich wurde, wanderte der Stein unter den englischen Königsthron. Nach langem Feilschen haben die Schotten ihren Stein in den 1990ern zurückbekommen. Jetzt aber soll er für die Krönung wieder nach London und unter den Thron geschafft werden. Für nationalistische Schotten, die ohnehin raus aus Großbritannien wollen, unannehmbar. Der ehemalige schottische Regierungschef Alex Salmond etwa meinte, es gebe keinen Grund, „etwas zurückzugeben, was die uns gestohlen haben“.
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Der Krönungsthron wird poliert – wann der Stein kommt, ungewiss
Während um die Reise des Schicksalsteins noch heftig gestritten wird, hat man anderswo in Schottland schon Entscheidungen getroffen – gegen die Krönung. Die Shetlandinseln etwa haben angekündigt, den Feiertag, der in ganz Großbritannien anlässlich der Krönung ausgerufen wurde, nicht einzuhalten. Es gebe keinen Grund zu feiern, meinten die Inselbehörden, also werde man ganz normal arbeiten.
Popstars haben abgesagt
Nicht arbeiten wollen dagegen einige der größten britischen Popstars, von Elton John bis Robbie Williams und den Spice Girls. Die wollte nämlich Charles bei seiner Krönungsfeier aufspielen lassen – und bekam einen Korb. Terminprobleme, ließ man dem Buckingham Palast mitteilen. So kurzfristig könne man nicht einfach den Konzertkalender umstellen: Zumindest also keine ideologischen Vorbehalte gegen die Krönung. Die Spice Girls etwa, die Charles schon als Kronprinz oft und gerne getroffen hatte, ließen ausrichten: Sie hätten leider nicht genug Zeit, um zu proben.