Im Mittelpunkt steht die Liegenschaft in der Wiener Albertgasse 23. Sie soll Millionen Euro wert sein, wurde aber für ein „Taschengeld“ von der Stadt Wien an die Kinderfreunde zurückgegeben.
Ein fragwürdiger Immobiliendeal zwischen der Stadt Wien und der SPÖ-Vorfeldorganisation Kinderfreunde Landesorganisation Wien könnte ein strafrechtliches Nachspiel haben. Jedenfalls ist bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien kürzlich eine 20 Seite starke Sachverhaltsdarstellung eingegangen. In der Anzeige werden der frühere Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, zwei hochrangige Magistratsbedienstete, zwei Vereinsorgane der Kinderfreunde Wien und SPÖ-Politiker sowie ein Liegenschaftsgutachter als mögliche Verdächtige genannt. Der Vorwurf lautet auf Untreue in Millionenhöhe. Die Vorwürfe werden zurückgewiesen.
Im Mittelpunkt der Anzeige steht die Rückabwicklung der Immobilie Albertgasse 23 in Wien-Josefstadt. Die Stadt Wien hatte diese Liegenschaft im Jahr 1920 von einer Vorläuferorganisation der Kinderfreunde gekauft. Es handelt sich um ein mehrstöckiges Wohn- und Bürogebäude, das 1910 errichtet wurde. Im Jahr 2009/2010 kamen die Stadt Wien und die Kinderfreunde überein, dass sie den Kaufvertrag rückabwickeln. Dem Vernehmen nach soll bei einer historischen Recherche 2009 festgestellt worden sein, dass die Stadt Wien damals nur 13 der 30 Monatsraten des Kaufpreises bezahlt haben. Die Stadt Wien soll nur 2,3 Millionen Kronen bezahlt haben. Das sind heute umgerechnet 168.500 Euro. Diesen Betrag sollten die Kinderfreunde als Rückabwicklungspreis bezahlen.
Verschenken der Liegenschaft?
„Es liegt auf der Hand, dass der Marktwert des „großen Zinshauses im achten Wiener Gemeindebezirk auch im Jahr 2010 bereits mehrere Millionen Euro betrug – im Bereich von zirka zehn Millionen Euro“, heißt es in der Anzeige. „Daher kommt das Festsetzen des Rückabwicklungswerts mit 168.500 Euro einem Verschenken der Immobilie gleich.“ Nachsatz: „Selbst wenn die Stadt Wien, aus welchem Grund auch immer, sich zu einer Rückabwicklung eines 90 Jahre zurückliegenden Kaufvertrags entscheidet, muss sie den jetzt 2009/2010 gültigen Marktwert dieser Rückabwicklung zugrunde legen.“
Folglich sei der Stadt Wien ein Millionenschaden entstanden. Die Kinderfreunde haben aber auch die 168.500 Euro nicht bezahlt, sondern haben von der Stadt Wien noch 91.400 Euro erhalten. Denn die Kinderfreunde haben zugleich ein Grundstück in Wien-Dornbach geräumt, das sie von der Stadt Wien angemietet hatten. Für diese sogenannte Freimachung erhielten die Kinderfreunde 260.000 Euro. Der Betrag wurde mit dem Rückabwicklungswert gegenverrechnet.
„Das Verschenken der Liegenschaft und die Ansetzung der Freimachungskosten haben keinerlei sachliche und rechtlich Grundlage und sind bewusst getroffen worden, um Vermögen der Stadt Wien rechtswidrig an den Verein Kinderfreunde Wien zu verschieben“, heißt es in der Anzeige weiter. Die Vorwürfe werden von der Stadt Wien und den Kinderfreunden bestritten.
Das sagen die Kinderfreunde
„Das Haus wurde vom Vorgängerverein der Kinderfreunde gebaut und im Jahr 1920 an die Stadt Wien verkauft. Das Haus ging jedoch damals nie zur Gänze ins Eigentum der Stadt Wien über, weil die Kinderfreunde noch vor Ableistung aller Ratenzahlungen nach Machtübernahme der Austrofaschisten verboten und enteignet wurden“, teilt Kinderfreunde-Geschäftsführer Daniel Bohmann dem KURIER mit. „Dies wurde im Zuge von historischen Recherchen festgestellt und so wurde der Kauf 2009 von Seiten der Stadt als Restitutionssache rückabgewickelt. An dieser Stelle möchten wir auch noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rückabwicklung im Gemeinderatsausschuss, im Stadtsenat und im Gemeinderat einstimmig von allen Fraktionen beschlossen wurde.“
Das sagt die Stadt Wien
„Bei der Transaktion rund um das Objekt in der Albertgasse handelt es sich um eine Rückabwicklung des Kaufvertrages von 1920 und de facto nicht um einen Rückkauf. Damit einhergehend wurden die ursprünglich vereinbarten Bedingungen rückgängig gemacht. Ein externes Gutachten war entsprechend nicht erforderlich, da die Umrechnung nach dem allgemein gültigen Umrechnungsschlüssel der ÖNB erfolgte“, heißt es aus dem Büro von Wohnungsstadträtin Kathrin Gaal.
Und weiter heißt es: „Die Zahlung der Freimachung der Liegenschaft Anton-Haindl-Gasse beruht auf dem Vorteil für die Stadt, diese für eine weitere (hochwertige) Nutzung zur Verfügung zu haben. Eine Freimachung betrachtet weit mehr als die Befreiung von Unrat – es geht um die Kosten, die der Mieter*in durch die frühzeitige Räumung und Wiederbeschaffung einer gleichwertigen Liegenschaft entstehen. Für die Freimachung werden u.a. Lage, Verkehrsanbindung und –situation, das Grundstück selbst sowie der Gebäudebestand und Übersiedlungskosten eingerechnet (…) Bei der Bewertung der Freimachung handelt es sich um eine Standardaufgabe eines gerichtlich beeidigten Gutachters.“