Ex-Politiker Matthias Strolz und Musikproduzent Kurt Razelli sind „Back To Earth“. Ein Gespräch über den gemeinsamen musikalischen Schöpfungsakt, Bewusstseinsreisen nach Indien und Ozeane voller Ängste.
Kaum hatte der Neos-Parteiobmann Matthias Strolz die Politbühne verlassen, tauchte er als Sänger, oder besser gesagt als Rapper an der Seite von Kurt Razelli (der Musikproduzent mit der Schwarzenegger-Maske) wieder auf.
Razelli, der dafür bekannt ist, Reden von Politikern zu sampeln und mit Beats zu unterlegen, produzierte mit Strolz dann ein paar Songs – darunter auch „Mein Klostertal“, eine „Nummer über Strolz’ Hood“, sagt Razelli. „Natürlich kommt das mit Augenzwinkern und einer humoristischen Überhöhung daher“, fügt Strolz hinzu.
KURIER: Wie froh sind Sie, dass sie nicht mehr auf der politischen Bühne agieren?
Matthias Strolz: Ich liebe Politik, aber ich liebe auch meine Frau, meine Kinder, die Familie. 2018 war der Zeitpunkt gekommen, an dem ich nicht mehr alles vereinbaren konnte. Hätte ich nicht mit der Politik aufgehört, wäre ich heute nicht mehr verheiratet. Das mit dem Aufhören ist mir nicht einfach gefallen. Aber für die Familie war es wichtig. Und für die Ehe. Gleichzeitig freue ich mich auch über meine neu gewonnene Freiheit und die Chance, andere Sachen zu machen, zum Beispiel Musik.
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Kurt Razelli hat sich früher bei Ihren Parlamentsreden bedient. Hat Sie das nicht gestört?
Strolz: Nein, ich habe immer gefunden, dass es bei der politischen Arbeit nicht schadet, wenn man manche Sachen nicht zu bierernst nimmt. Humor hilft, das Ganze erträglicher zu machen. Deshalb habe ich die Arbeit von Kurt auch immer sehr geschätzt, denn er hat sich in seinen Songs stets seriös mit politischen Reden auseinandergesetzt. Für mich war zu dieser Zeit aber auch klar, dass ich nicht der Künstler bin, sondern nur der Rohstoff, den der Kurt in seinen Songs wie „Das ist nicht okay“ veredelt.
Nach fünf Jahren Pause geht die gemeinsame Reise weiter. War das von Anfang an so geplant?
Kurt Razelli: Nein, wir haben uns vergangenes Jahr wieder einmal getroffen. Nach fünf Minuten war uns klar, dass wir jetzt wieder gemeinsam etwas angehen. Diesmal als echtes Künstler-Duo, weil Matthias eine aktive Rolle beim Songwriting einnimmt.
„Nach fünf Jahren im Weltraum“, so steht es im Pressetext, kehren Sie mit „Back To Earth“ auf die Erde zurück. Was hat sich verändert?
Strolz: Bei dem, was man derzeit zu sehen bekommt, haut es einem die Sicherungen raus. Es ist beklemmend, was die Menschheit derzeit aufführt. Also man kann jetzt sagen, dass Krieg immer schon dazugehört hat, aber dass er seit mehr als einem Jahr mitten in Europa stattfindet, war – zumindest für mich – unvorstellbar. Vor allem in dieser Form: Nun haben wir einen Krieg vor der Haustür, der nach 1914 riecht – eine tödliche Materialschlacht, Vergewaltigungen, Kindesentführungen und brutale Exekutionen inklusive. Deswegen starten wir auf unserem neuen Album auch mit einer martialischen Nummer: „Ich muss siegen“.
Herr Strolz, Sie haben das Album im Jänner dieses Jahres über Social Media angekündigt. Das Video, das Sie in Indien aufgenommen haben, ging viral. Welchen Einfluss hat Indien auf dieses Album?
Strolz: Tatsächlich ist die Mehrheit der Tracks im Rahmen dieses Aufenthalts in Indien entstanden. Zuhause küsst mich die Muse eher selten, denn da bin ich gut eingedeckt mit Arbeit, mit unseren drei Kindern und meinem Unternehmen. Wenn ich weg bin, auf Reisen, bin ich sehr kreativ. In den zweieinhalb Wochen in Indien war ich zehn Tage im Gandhi Ashram, also dort, wo Mahatma Gandhi seine große, gewaltfreie Revolution vorbereitet hat, 15 Jahre mit seinen 76 engsten Mitstreitern. Dieser Ort hat mich tief berührt.
Viele haben nach dem Ankündigungsvideo gemeint, dass Sie unter Drogeneinfluss standen. Hatten Sie etwas genommen?
Strolz: Drogen haben dabei keine Rolle gespielt. Man kann auch anders seine Bewusstseinszustände erweitern. Ich war Teil des Workshops Gandhi 3.0. Das ist eine Bewusstseinsreise, die mir sehr gutgetan hat. Ich konnte mich völlig rausnehmen, in eine andere Welt eintauchen. Es gab Meditationen, Exkursionen, Trance-Reisen. Daran haben viele unterschiedliche Menschen teilgenommen – von der Sufi Sängerin über eine katholische Nonne, buddhistische Mönche, Silicon-Valley-Milliardäre, universitäre Bewusstseinsforscher, vietnamesische Bio-Farmer. Alles sehr inspirierend. Nachts habe ich dann in die Sterne geschaut und Texte geschrieben, die ich dann teilweise via Sprachnachricht Kurt geschickt habe. Was der dann damit gemacht hat, ist große Kunst. Man hört und spürt die Energie. Ein magischer Schöpfungsakt.
Wie einfach ist Ihnen dieser Schöpfungsakt gefallen, Herr Razelli?
Razelli: Ich habe mir die Sprachnachrichten angehört und daraus dann zwei, drei Rohfassungen der Songs gemacht. Dabei war es mir wichtig, welche Stimmung Matthias vermitteln möchte. Und ich habe seine Seelenbewegungen verstanden.
Strolz: Am Anfang gab es eine Findungsphase, wo alles noch ein bisschen geruckelt hat, nicht alles im Fluss war. Aber dann haben wir uns gefunden und es ging sehr zügig.
Razelli: Da Matthias zwar die Texte liefert, aber eben kein klassischer Sänger ist, war mir nicht sofort klar, wie man das Ganze musikalisch gestalten soll. Ich wollte auf keinen Fall in die Nähe von Austropop und Schlager kommen. Ich wollte einen Sound kreieren, den man nicht unbedingt erwarten würde.
Das Album versteht sich als eine „Schmerzlinderung unter Mangobaum“, wie es im Pressetext heißt. Welche Schmerzen müssen gelindert werden?
Strolz: Es ist traurig und schmerzvoll zugleich, wie wir Menschen uns immer wieder verlaufen und uns gegenseitig das Leben schwer machen. Klar ist es nicht einfach, anlässlich der aktuellen Weltnachrichten, von Klimakatastrophe über Krieg bis hin zur Inflation positiv zu bleiben. Aber jeder kann für sich etwas ändern, die Welt ein bisschen besser machen. Das ist auch die Botschaft des Albums: Jeder kann in seinem Umfeld gestalterisch wirken, egal, ob das jetzt im Verein ist oder innerhalb der eigenen Familie, am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft. Ich bin auch nicht immer jeden Tag gut gelaunt, aber ich bin nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben. Es gibt immer Auswege. Man ist zwar in vielen Bereichen ein Gefangener, aber die Fesseln sind nicht endgültig.
Viele können oder wollen sich aber gar nicht von diesen Fesseln befreien …
Strolz: Mit Corona hat sich viel geändert, einfach weil der Raum geflutet war mit Angst. Teilweise war es das Kalkül von politischen Akteuren, teilweise Ausdruck von Hilflosigkeit. Wir sind alle in einem Ozean von Angst geschwommen und dieser Ozean ist bislang auch nicht weggegangen, sondern hat nur seinen Inhalt gewechselt. Statt Corona sind es nun Krieg und Inflation. Auffällig dabei ist, dass nicht nur die alleinerziehende Mutter in prekären Verhältnissen nicht mehr weiß, wie sie über die Runden kommt, sondern sich auch der breite Mittelstand und selbst sehr Wohlhabende in Bedrängnis sehen.
Was macht Sie nachdenklich?
Strolz: Soziale Medien. Denn die sind so gebaut, dass sie immer auf Vergleich aus sind und immer auf eine schnelle Belohnung. Und das sind beides Dinge, die in die Angst und mitunter in die Depression führen. Wir verzeichnen einen enormen Anstieg jener Personen, die unter Depressionen leiden, speziell bei den jungen Menschen. Die Institutionen können gar nicht mehr alle aufnehmen, die suizidalen Tendenzen haben. Das muss uns nachdenklich machen.
Razelli: Wir sind dazu angehalten, nachzudenken, was es heißt, ein Mensch zu sein. Und das Album ist ja auch eine Hommage ans Menschsein, mit all dem, was dazu gehört: Licht und Schatten, Hoffnung und Liebe.
Was sagen eigentlich Ihre Kinder zur Musik?
Strolz: Sie finden das eigentlich ganz okay, was ich mache. Leider muss ich sie fast dazu zwingen, einen Song von Anfang bis zum Ende anzuhören. Das liegt an TikTok. Sie glauben, sie haben nach fünf Sekunden schon alles gehört. Sie finden uns freilich irgendwie schräg – vor allem den Typen mit der Maske. Mich sind sie ja gewohnt.
Herr Razelli, Sie verstecken sich hinter eine Schwarzenegger-Maske. Warum ausgerechnet Schwarzenegger?
Razelli: Ich bin ein Arnie-Fan, hab seine Filme sehr gemocht. Da habe ich mich für die Maske eines weltberühmten Österreichers entschieden.
Strolz: Schwarzenegger ist ein spannender Typ. Ich habe großen Respekt für seinen Lebenslauf, teile aber leider, wie man sieht, nicht seine Leidenschaft fürs Pumpen (lacht).
Sie sind ja auch in verschiedenen Tätigkeitsfeldern unterwegs. Nun probieren Sie es mit der Musik. Wie gefällt Ihnen diese Rolle als Musiker, Herr Strolz?
Strolz: Zur Rolle des Autors und Speakers kommt nun der Künstler dazu. Die passen auch gut zusammen. Ich muss aber noch viel lernen, sehe mich da als Lehrling. Auch für die Öffentlichkeit ist das alles noch neu – und durchaus auch verwirrend. Das habe ich schon mitgekriegt.
Wie werden Sie die Konzerte anlegen?
Razelli: Am liebsten würden wir ja wie Robbie Williams auf die Bühne schweben, aber dafür fehlt uns das nötige Geld. Wir sind eine arme Band. (lacht) Aber innerhalb unseres Rahmens überlegen wir uns natürlich eine Show. Wir haben auch schon ein Bühnenoutfit, werden direkt aus dem Weltraum auf die Bühne kommen.
Strolz: Unsere Konzerte werden ein Feierabend des Menschseins werden.
INFOS: Nach „Lost in Space“ (2018), der ersten Zusammenarbeit von Kurt Razelli und Matthias Strolz, geht die Reise mit „Back To Earth“, das am 6. 10. erscheint, weiter. Die Texte sind – abgesehen von „Ich muss siegen“ in englischer Sprache gehalten. Es geht elektronisch und durchaus üppig zur Sache. Live am: 7.11. in Innsbruck (Treibhaus), 18.11. in Dornbirn (Conrad Sohm), 25.11. in Graz, (PPC), 30.11. in Wien (Simm City), 1.12. in Hof bei Salzburg, (K.U.L.T).