Aufregung um SPÖ-Vorstoß: Ludwig will Matura doch nicht abschaffen

Nach skeptischen Wortmeldungen – auch vom eigenen Koalitionspartner – relativiert der Wiener Bürgermeister den Beschluss seiner Genossen.

Sollte es Absicht der Wiener SPÖ gewesen sein, aus dem Nichts heraus mit einer Bildungsdebatte für Aufregung zu sorgen, dann ist ihr das eindeutig gelungen. Die am Wochenende bei der „Wiener Konferenz“ – eine Art Mini-Landesparteitag – beschlossene Forderung nach Abschaffung der Matura und der Schulnoten, um Druck von den Kinder zu nehmen, sorgt für gehörigen Wirbel.

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Dass ÖVP und FPÖ wie berichtet entrüstet gegen den roten Vorstoß Sturm laufen, überrascht wenig. „Solange ich Bildungsminister bin, wird es die Matura und eine schriftliche Benotung an Österreichs Schulen geben“, wettert Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP). „Die Schule hat die Aufgabe, junge Menschen auf die Zukunft vorzubereiten.“

APA – Austria Presse Agentur

Martin Polaschek

„Wesentliche Werte unserer Gesellschaft sind Fleiß und Leistung. Diese Leistung muss und darf auch in den Schulen eingefordert werden“, betont der Minister.

Bundes-SPÖ skeptisch

Neben vielen Experten, die sich zwar eine Reform der Reifeprüfung, nicht aber deren Abschaffung vorstellen können, müssen die Wiener Roten aber auch ihre eigene Bundespartei überzeugen. Diese machte am Wochenende den Eindruck, von der Idee der Wiener Genossen am falschen Fuß erwischt worden zu sein. Reform ja, Abschaffen nein, lautet auch dort der Tenor. Und eine Abschaffung der Schulnoten sei ohnehin derzeit keine Priorität.

Hört man sich in der Wiener Landespartei um, verstärkt sich der Eindruck, die Matura-Debatte sei eher ungewollt als mit Kalkül losgetreten worden. Unter den zahlreichen Themen der Konferenz, die diesmal unter dem Generalthema Bildung stand, hätten Medien jenes mit dem größten Schlagzeilen-Potenzial herausgepickt, mutmaßt ein Genosse gegenüber dem KURIER. Das würde auch die offensichtlich fehlende Abstimmung mit der Bundespartei erklären.

Wobei es grundsätzlich keine Seltenheit ist, dass Forderungen und Anträge aus Bezirks- und Landesorganisationen nicht mit der jeweiligen Linie der übergeordneten Parteistruktur übereinstimmen.

Der Genosse ist jedenfalls überzeugt: „Jubelstürme werden wir mit diesen Forderungen nicht auslösen, nicht einmal bei den Schülern.“

Und auch nicht beim eigenen Koalitionspartner, der pikanterweise in Wien das Bildungsressort innehat: „Es ist sicher sinnvoll, wenn es auch in Zukunft einen Leistungsnachweis in Form einer zeitgemäßen zentralen Matura gibt“, sagt Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos). „Es braucht es aber sicher eine pädagogische Modernisierung der Matura. Auch die Schulnoten sollten nicht in allen Schulstufen gänzlich abgeschafft, sondern durch ein differenzierteres Feedbacksystem ergänzt werden.“

APA/EVA MANHART

Christoph Wiederkehr

Letztlich dürfte selbst Bürgermeister Michael Ludwig – ohnehin nicht gerade als Freund radikaler Polit-Visionen bekannt – die Debatte zu heiß geworden sein. Während manche seiner Genossen am Montag noch betonten, wie wichtig es gewesen sei, mit dem Vorstoß eine neue Bildungsdebatte anzufachen, relativierte er in einem Twitter-Video den Beschluss vom Samstag. Statt von einer „Abschaffung“ wie im Antrag spricht er lediglich von einer „Modernisierung“ und einer „Veränderung“ der Matura. Eine „punktuelle Wissensabfragung“ werde nicht mehr den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft gerecht. Schüler sollten vernetzt denken, das sei auch eine Forderung der Wirtschaft.

Kein Verständnis für die Forderung nach Abschaffung der Matura hat man in der SPÖ Burgenland. Bildungslandesrätin Daniela Winkler: „Ich sehe keinen Anlass, das bestehende System zu ändern und die Matura oder Berufsreifeprüfung abzuschaffen. Die Matura ist die Bestätigung für eine besondere Leistung und eine wichtige Erfahrung für das weitere Leben junger Menschen.“

Aktuell sei die Bevölkerung im Alltag mit Problemen konfrontiert, die weit höhere Priorität hätten als diese Bildungsdebatte.

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