Das Wiener Theatermuseum widmet sich dem „Austropop“ – und überzeugt damit nur bedingt. Die Umsetzung scheitert am allzu großen Thema.
Die Mitarbeiter des Österreichischen Theatermuseums sind nicht gerade zu beneiden. Denn beim Eingang läuft Marianne Mendts Hit „Wie a Glock’n“ in Dauerschleife und im ersten Ausstellungsraum rotiert sich Falcos „Rock Me Amadeus“ zu Tode. Das Immergleiche den ganzen Tag hören zu müssen, ist Schwerstarbeit. Ob es für diese tapfere Leistung extra Schmerzensgeld gibt? Es wäre dem Personal vergönnt.
Durchzuhalten gilt es auf jeden Fall noch bis zum 4. September dieses Jahres, denn so lange läuft die „Austropop“-Ausstellung im schönen Palais Lobkowitz. Es ist die erste Schau unter der neuen Theatermuseum-Direktorin Marie-Theres Arnbom, die für ihr Debüt den Rahmen „von Mozart bis Falco“ gefährlich weit spannt. Warum es für die Konzeptionierung der mit Leihgaben gespickten Ausstellung gleich sieben Kuratorinnen und Kuratoren gebraucht hat, lässt sich nach einem Rundgang nur schwer nachvollziehen.
Probleme
In sieben Räumen (für jeden Raum einen eigenen Kurator?) versucht man sich, dem Schlagwort „Austropop“ zu nähern. Dieser mit viel Klischees und Irrtümern versetzte Begriff bringt natürlich zahlreiche Gefahren, Fußnoten sowie Probleme bei der Begriffsdefinition und -abgrenzung mit sich. „Was bedeutet Austropop?“. Das fragen sich die Macher der Schau dann auch gleich zu Beginn selbst. Auf diese Frage wird einem aber keine Antwort geliefert. Wie denn auch? Der Begriff „Austropop“ ist schwammig, befindet sich stets im Wandel, beschäftigt Studenten in Diplomarbeiten und Experten in Büchern. Was letztendlich darunter verstanden wird, sieht jeder ein bisschen anders. Aber theoretische Abhandlungen zum Thema spart sich die Ausstellung zum Glück auch. Vielmehr geht es oberflächlich und massentauglich zur Sache. Die thematischen Sprünge fallen dabei teilweise brutal aus: So dauert es gleich zu Beginn nur wenige Schritte, um von Nestroy (man befindet sich ja auch im Theatermuseum) über Schikaneder und Mozart zu Falco zu gelangen. Der sitzt in Form einer Pappfigur inklusive Zwangsjacke am Ende eines in weiß gehaltenen Ganges. Dazu läuft „Jeanny“ in Endlosschleife.
Wer sich des Themas „Austropop“ annimmt, kann eigentlich nicht gewinnen. Zu verworren ist die Sache. Dennoch bietet die Ausstellung einen Überblick über das vielseitige musikalische Schaffen österreichischer Pop-Künstler und -Künstlerinnen. Alle, die mehr als nur „Skifoan“, „I am from Austria“ und „Jö schau“ kennen, werden sich aber schnell einmal langweilen.
Wer sein Gesangstalent unter Beweis stellen möchte, kann das auf einer Karaoke-Bühne machen. Das Mikro war am Tag meines Besuchs aber nicht in Betrieb, was für die anderen Besucher sicherlich kein Nachteil war.
Theatermuseum © KHM-Museumsverband
Neue Welle
Interessant sind vor allem die 1980er-Jahre, in denen sich in Wien endlich einmal etwas bewegte. Die Stadt wurde u.a. von der Neuen Deutschen Welle aus dem Dornröschenschlaf geküsst, das Grau aus den 1960er- und 1970er-Jahren wurde langsam mit neuem Leben übermalt. Gezeigt wird das in einem Video, das sich bei der Doku „Wiener Zeitgeist – Aufbruch in die 1980er“ bedient und in der sich Protagonisten von damals, wie etwa Rudi Nemeczek, Hanno Pöschl, Marianne Kohn, Götz Schrage über Wiens wilde Jahre und damalige Tabu-Brüche unterhalten.
Die Ausstellung fordert einen ein paar Schritte weiter zum Nachdenken auf: „Trau di! Was ist für Sie tabu?“ und „Welche Tabus haben Sie schon gebrochen?“ steht da auf einer Wand geschrieben. Darunter haben einige Besucher bereits einige persönliche Tabu-Brüche via Post-it hinterlassen: „Prosecco vor Mittag“, „Wien-Besuch ohne Käsekrainer“ oder „Ananas auf Pizza“. Letzteres geht aber auch wirklich gar nicht.
Zum Schluss wird noch kurz die jüngere Szene (von Bilderbuch bis Conchita Wurst) angeführt, versammelt ein Wandbild von Lukas Hüller diverse Protagonisten der heimischen Musikbranche und kann im Shop ein Stück „Austropop“ in Form einer CD mit nach Hause genommen werden.
Stefan Weber © Bernd Preiml
Hat auch seinen Platz in der Ausstellung: Stefan Weber (1946-2018), Frontmann der Drahdiwaberl.