Schauspielerin und Komikerin Anke Engelke über den Trennungsschmerz von „Last One Laughing“, über die Radikalität von Gendern und Klimaklebern – und über ihre ROMY-Nominierung.
Sie ist seit „Wochenshow“ und „Ladykracher“ als Deutschlands wichtigstes weibliches Comedy-Aushängeschild bekannt. Zuletzt brachten ihr die Auftritte in der Prime-Video-Serie „LOL – Last One Laughing“ viel Aufmerksamkeit. Längst ist Engelke aber in Film und Fernsehen eine große Nummer. Im Vorjahr spielt sie in dem österreichischen Kinofilm „Der Onkel“ eine tragende Rolle neben Michael Ostrowski. Die Rolle der Gloria, die ihren schrägen Schwager Mike bei sich aufnimmt, während ihr Mann Sandro im Koma liegt, war auch der Grund für eine erneute (nach 2010) ROMY-Nominierung in der Kategorie „Beliebteste Schauspielerin Film“. Ebenfalls präsent war Engelke in Sönke Wortmanns „Eingeschlossene Gesellschaft“ mit Florian David Fitz. Sie spielte dort „eine sehr frustrierte, zynische, boshafte Lehrerin Mitte 60“.
Anke Engelke im Interview über die Zusammenarbeit mit Bastian Pastewka, ihren neuen Podcast, über Radikalität, Frieden und über ein Leben ohne Smartphone:
KURIER: Sie können sich demnächst „LOL“ zum ersten Mal aus der bequemen Couch-Perspektive aus ansehen. War auch das ein Grund, nach drei Folgen auszusteigen?
Anke Engelke: Obwohl ich von Zuschauer:innen weiß, dass es herrlich ist, vom Sofa aus zuzuschauen, wie sich ein paar Spaßhansels mit- und gegeneinander verhalten und dabei nicht lachen dürfen, ist es das Schönste, mitzumachen: Dieses beklemmende Dilemma – ein feiner Kerl sein und die Performances der wunderbaren Kolleg:innen mit Lachen belohnen und eventuell rausfliegen, oder eine Arschgeige sein und nicht lachen, dafür aber bleiben dürfen – ist einmalig, so extrem gestresst und brennend beglückt zugleich habe ich mich vor Staffel eins noch nie gefühlt!
Sie haben ein neues Projekt mit Bastian Pastewka. Wie sind Sie über die Jahre verbunden geblieben und was bedeutet es Ihnen, nun mit ihm gemeinsam eine Serie zu machen?
Wir zwei haben so viel miteinander erlebt, das fühlt sich manchmal an wie bei Ehepaar Grinsemann zuhause! Nicht nur die „Wochenshow“-Jahre haben uns sehr geprägt, weil die Show erst übertrieben belächelt und dann übertrieben gefeiert wurde, sondern auch die sporadischen gemeinsamen Projekte. In den letzten 27 Jahren hat sich so eine Vertrautheit entwickelt, dass wir uns, glaub ich, sicher fühlen bei- und miteinander, weil wir so viele Standardsituationen vor und hinter der Kamera miteinander gemeistert haben. Die Serie MUSSTE kommen: wir wollen so dringend viel zusammenarbeiten – da ist das jetzt eigentlich ein ganz logischer Schritt.
Comedy kann einerseits eine Ablenkung in Krisenzeiten bieten, andererseits bringen gerade Comedians mittlerweile oft recherchierte politische Geschichten, erfüllen auch eine Informationsfunktion. Wo sehen Sie sich zwischen diesen beiden Polen?
Da ich keine klassische Comedian bin mit eigenem Bühnenprogramm und zudem null Affinität habe zum Stand-Up, denke ich nicht in Pointen. Das ist schade, weil viele von mir immer noch Comedy erwarten, auf der anderen Seite ist es sehr beruhigend, weil ich das Tagesgeschehen als Anke wahrnehme und nicht als Gag-Maschine mit Interpretationszwang. Gedanken und Sorgen um Mensch und Planet mache ich mir also schön im Off, ohne Zuschauer:innen.
In dem Podcast „Quality Time“ besprechen Sie mit Riccardo Simonetti „alles was die Seele berührt“. Ihrer beider Leben haben sich bei „Wer stiehlt mir die Show?“ berührt. Wie entstand die Idee, dass man so gut zu einander passt, dass man einen gemeinsamen Podcast macht?
Ja, gute Frage: Warum haben so viele andere um uns herum schnell in uns eine Top-Kombi gesehen, nur wir zwei nicht?! Wir wurden unabhängig voneinander nach Wunsch-Partner:innen für einen Podcast gefragt. Ich bin seit vielen Jahren eine Hälfte des Podcasts „Wie war der Tag. Liebling?“ mit meinem besten Freund Kristian Thees, habe also schon Erfahrung mit dieser Spielart. Was Riccardo und ich jetzt miteinander Woche für Woche teilen ist die Begeisterung für unsere Berufe, sind aber immer wieder auch Zweifel und Fragen rund um das Thema Showgeschäft. Und da wir mittendrin stecken, sind wir für die Zuhörerschaft nicht nur Show-Expert:innen, sondern auch Spion:innen. Und füreinander sind wir neue Freunde fürs Leben und können unser Glück manchmal nicht fassen.
Sie sagen in Folge 1, was Diversity und Rollenbilder in Film und Medien betrifft, könne man ruhig radikal sein. Wie kann man sich diese Radikalität vorstellen?
Das betrifft Riccardo fast mehr als mich, weil er nichts sagen muss um Haltung zu zeigen, sondern schon durch sein Auftreten deutlich macht, wofür er steht und welche Werte wirklich wichtig sind in einer Gesellschaft: Toleranz, Respekt, Angstfreiheit. Wie definiert man jetzt „Radikalität“? Menschen, die Angst haben vor einem offenen Miteinander oder vor dem Anderen, dem Ungewohnten, halten es vielleicht schon für radikal, wenn man gendert. Da kann man helfen, da kann man mit Empathie und Verstand vorleben, dass niemand zu Schaden kommt, wenn sie oder er den Blick öffnet. Das geht ohne Radikalität, das geht mit Geduld und Aufklärung.
In den Krisen der letzten Jahre gab es immer wieder Offene Briefe, Aktionen, aktuell auch Friedensmanifeste. Das scheint nicht Ihre bevorzugte Art zu sein, sich zu Wort zu melden. Ist der Podcast ein Format, in dem Sie das nun bewusst auch tun?
Nö.
Natürlich hängt es nicht nur an den Aktionsformen, sondern auch an den Inhalten. Wie denken Sie über die zuletzt so spaltende Frage, wie sich Deutschland und Europa im Ukraine-Krieg verhalten sollen?
Da ich hier keine Expertin bin, geht es mir wie allen Bürger:innen Deutschlands und Europas: wir wünschen uns Frieden.
Was würde Frau Lohmann aus „Eingeschlossene Gesellschaft“ über streikende Schüler*innen, Kohlegrubenbesetzer*innen oder junge Klimakleber*innen sagen? Und wie blickt Anke Engelke auf diese Aktionsformen?
Ach Frau Lohmann, die arme Tasse. Vermutlich würde sie weniger schimpfen als Sie denken! In dem Film beschwert sie sich ja eher über falsche Prioritäten, findet zum Beispiel Bildung wichtiger als Äußerlichkeiten. Wer weiß, vielleicht würde sie überraschend offen sein bezüglich der Streikenden und sogar solidarisch? Vielleicht würde sie sich freuen über eine Jugendbewegung, die strukturelle Probleme thematisiert, und in dem Punkt wären Heidi Lohmann und ich uns schon mal einig!
Mit Erstaunen habe ich gelesen, dass Sie kein Smartphone besitzen. Wie leicht fällt Ihnen das oder schafft das auch Hindernisse, die Sie in Kauf nehmen müssen? Podcasts werden zum Beispiel bevorzugt übers Smartphone konsumiert.
Laptop habbich, läuft also alles geschmeidig, keine Sorge. Aber zwanghaft auf einen kleinen Appariollo in der Hand glotzen: das können Sie mal schön alle ohne mich machen. (lacht)
Sie haben sich ziemlich begeistert vom „Onkel“-Dreh gezeigt. Gibt es mittlerweile weitere Ideen für eine Zusammenarbeit für einen Film in Österreich?
Aus Österreich nix Neues, leider, aber ich bewerbe mich ungefragt immer wieder für Rollen im Nachbarland: die Dreharbeiten in und um Wien waren so herrlich, das Zusammenarbeiten mit Michael Ostrowski und seiner Filmfamilie PLUS echten Familie so verrückt und herzlich – da musste ja ein Wahnsinnsfilm draus entstehen. Gerne wieder. Sofort!
Sie wurden für die ROMY als beste Schauspielerin Film nominiert. Was bedeutet Ihnen das?
Ich freu mich wie verrückt! So seltsam ich den Wettbewerbsaspekt auch finde bei Preisen und Preisverleihungen – weil ich immer denke, dass die Muse doch kein Pferd ist, um mal Nick Cave zu zitieren – Nominierungen tun dem Ego gut und wenn kein Kalkül eines Verlages oder Senders dahintersteckt, kann man sich von Herzen freuen und einen über den Durst trinken! „Der Onkel“ hat alle Aufmerksamkeit der Welt verdient!
Preisverleihungen wie die ROMY sind auch funkelnde Glamour-Events. Wie geht es Ihnen mit solchen Veranstaltungen und werden wir Sie in Wien begrüßen können?
Wie es aussieht, werde ich zu der Zeit mitten in Dreharbeiten in NRW sein, ich bin untröstlich! Wenn es Wunder gäbe und ich doch kommen könnte, würden Sie mich an der Seite von Michael Ostrowski und seinem Co-Autor und -Regisseur Helmut Köpping finden: ihnen sollte der Abend gehören! Und ich würde währenddessen mit Michaels Frau Hilde Dalik die Nacht durchtanzen und etwas zu laut feiern: Wir haben uns seit den „Onkel“-Dreharbeiten irre gern!