Tenor Osborn: „Ich war immer das lauteste Kind von allen“

John Osborn singt in Donizettis „Les Martyrs“ am MusikTheater an der Wien. Ein Mann für alle Spitzentöne mit Leidenschaft für Schönheit.

Wenn sich am Montag, 19. September,  im Museumsquartier (der Ausweichspielstätte des sich in Generalsanierung befindlichen Theaters an der Wien) der Vorhang zu Gaetano Donizettis Opernrarität „Les „Martyrs“ aus dem Jahr 1840 hebt, ist vokaler Hochleistungssport für fast alle Beteiligten angesagt. Vor allem für den amerikanischen Tenor John Osborn, der in dieser etwas kruden Geschichte rund um Römer, Christen, Liebe und Verrat – in der Inszenierung von Cezary Tomaszewski kommt noch der Genozid an der armenischen Bevölkerung durch das Osmanische Reich hinzu – extrem viel zu tun hat.

Tenor der Extreme

„Ja, ich bin wohl ein Tenor der Extreme“, lacht John Osborn im KURIER-Interview. Kein Ton scheint dem aus Iowa gebürtigen Künstler zu hoch zu sein. Seine Paradepartien sind daher auch im französischen und im italienischen Belcanto-Fach zu finden. Diese aber singt er in Wien, Salzburg, Mailand, an der New Yorker Met, also an allen führenden Opernbühnen und überall dort, wo Spitzenleistungen und Spitzentöne gebraucht werden.

Zur Oper kam Osborn jedoch eher zufällig. „Ich war immer das lauteste Kind von allen – und wir waren sechs Geschwister – daher musste ich ja fast ein Opernsänger werden.“ Aber das Erweckungserlebnis im Bereich klassischer Musik kam durch die Liebe. Osborn: „Meine damalige Freundin hat mich in die Oper mitgeschleppt. Ich wollte das eigentlich gar nicht. Mich haben andere Musikstile interessiert. Aber was tut man nicht alles aus Liebe? Also bin ich mit ihr mit. Das Ergebnis: Die eine Liebe ist gegangen, die Liebe zur Oper ist geblieben und immer mehr gewachsen.“

Osborn weiter: „Und da ich nach Ansicht einiger Professoren eine gute Stimme hatte, habe ich mich für die Gesangsausbildung entschieden. Das ging von der zeitgenössischen amerikanischen Oper über Mozart bis zum Belcanto. Und in den habe ich mich wiederum verliebt. Hier geht es nämlich nicht darum, laut zu sein, sondern zu phrasieren und – wie der Name schon sagt – um das Schön-Singen.“

Tenor ohne Angst

Doch hat Osborn nicht auch vor den vielen Spitzentönen, die er etwa bei „Les Martyrs“ treffen muss Angst? „Nein, Angst nicht. Aber größten Respekt. Man sollte als Sänger wissen, was man seiner Stimme zumuten kann, wofür sie geeignet ist und wofür vielleicht nicht. Und Belcanto passt schon für mich.“

Dass längst auch der Herzog in Verdis „Rigoletto“, der Fenton in dessen „Falstaff“ oder die Tenorpartie in der „Sizilianischen Vesper“ hinzugekommen sind, ist für Osborn „eine logische Entwicklung.“ Denn: „Stimmen verändern sich im Laufe der Zeit, so wie sich das Leben verändert. Ich bin immer offen für alles Neue.“

Eines Tages vielleicht auch für Richard Wagner? Osborn: „Wir werden sehen. Auch Wagner kann man singen und muss ihn nicht brüllen. Aber jetzt konzentriere ich mich auf Donizetti. Diese Partie in ,Les Martyrs’ ist extrem schwer. Und es soll dabei ja niemand leiden.“

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