Das Elend der Emigranten – und der Verlust alles Vertrauten

Ödön von Horváths Mozart-Fortschreibung „Figaro lässt sich scheiden“ im Theater Scala

Von: Susanne Zobl

Wie intensiv sich manche Bilder und Szenen aus Theateraufführungen in die Erinnerung eingeprägt haben, wird oft erst dann erkannt, wenn man ein Stück wiedersieht. Die Rede ist hier von Ödön von Horváths verstörender Fortschreibung der Mozart-Oper „Die Hochzeit des Figaro“, also „Figaro lässt sich scheiden“.

Sie ist derzeit (bis 30. November) im Theater Scala zu sehen. Und die solide Inszenierung von Rüdiger Hentzschel lässt Spielraum für Assoziationen – bzw. für Erinnerungen, konkret an Luc Bondys aufwühlende Inszenierung mit Gert Voss als Figaro und Helmuth Lohner als Almaviva 1998. Das ist lang her, aber so manches Bild taucht während Hentzschels Produktion auf.

Was erzählt Horváth? Die Revolution ist ausgebrochen, Adelige werden hingerichtet, wenn sie bleiben. Figaro und seine Frau, die Zofe Susanne, helfen ihren Herrschaften, den Almavivas, über die Grenze. An diesem Quartett exemplifiziert Horváth das wahre Elend der Emigranten.

Friseur und Spießer

Er erzählt von Verlorenen, die sich in einer fremden Welt nicht zurechtfinden, vom Verlust alles Vertrauten. Die Gräfin stirbt, der Graf, der auf ein Ende der Revolution hofft, kommt ins Gefängnis, weil er aus Naivität illegale Händel treibt. Figaro versucht sein Glück als Friseur in Großhadersdorf, seine Ehe scheitert. Susanne jobbt in Cherubinos Emigranten-Bar. Am Ende kehren diese drei Verlorenen zurück.

Das Ensemble agiert einnehmend. Simon Brader führt deutlich vor, wie aus dem Figaro ein Spießer geworden ist. Dirk Warme lässt Almavivas Verlorenheit spüren, Lisa-Carolin Nemec ist eine bodenständige Susanne. Monica Anna Cammerlander als Gräfin und die anderen spielen gut. Herzlicher Applaus.

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