Die französische Star-Schauspielerin über ihre Filmrolle in „An einem schönen Morgen“, Melancholie und die Lust an der Verwandlung
Derzeit sieht man Léa Seydoux nicht nur im Kino, sondern auch auf Plakatwänden. Sie ist das Gesicht der französischen Modemarke Louis Vuitton und bewirbt gerade deren Capucines-Handtaschen. Ihr Gesichtsausdruck wirkt verrätselt, ihr Blick melancholisch verschleiert. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass Léa Seydoux immer eine große Traurigkeit mit sich herumträgt.
Dieses Empfinden hatte auch die französische Regisseurin Mia Hansen-Løve. Wiederholt betonte sie in Interviews die Tiefe an Melancholie, die sie in der Schauspielerin verspürte – und besetzte sie für die Hauptrolle in ihrem neuen Film „An einem schönen Morgen“ (jetzt im Kino).
Üblicherweise wird Léa Seydouxs exquisite Schönheit im Kino spektakulär inszeniert. Besonders als Madeleine Swann, kühle Noir-Gefährtin von Daniel Craigs James Bond, mischt sie souverän französische Eleganz mit Hollywood-Glamour.
Umso erstaunlicher erscheint ihr Auftritt in Hansen-Løves „An einem schönen Morgen“, wo sie sich als alleinerziehende Mutter um ihren dementen Vater kümmert: Seydoux trägt ihr blondes Haar burschikos kurz und stapft in Jeans und T-Shirt (und mit einem Kind an der Hand) durch die Straßen von Paris. Für Seydoux-Verhältnisse sieht sie unglaublich „normal“ aus – und tatsächlich: „Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich jemand spiele, der ganz ,normal‘ ist“, sagt Léa Seydoux im KURIER-Gespräch und wirkt dabei selbst verwundert: „Ich glaube, dass das auch der Grund ist, warum das Publikum von meiner Figur so berührt wird. Sie durchläuft Gefühle, die wir alle nachvollziehen können, weil sie so ,simpel‘ sind: Ein kranker Vater, Liebe, Tod, Mutterschaft. Damit kann jeder oder jede etwas anfangen. Ich finde ohnehin, dass Filme über die sogenannten einfachen Dinge des Lebens die besten sind.“
Filmladen
Nimmt Abschied vom Vater: Léa Seydoux als Alleinerzieherin in „An einem schönen Morgen“
Was das melancholische Potenzial betrifft, das sie für jede Rolle mitbringt, kann Seydoux nur zustimmend nicken: „Ja, ich bin melancholisch. Ich trage diese Melancholie mit mir herum, seit ich ein Kind bin. Ich empfinde das aber nicht als Krankheit. So bin ich eben. Und ich bin auch nostalgisch. Insofern konnte ich mit meiner Filmfigur, die sich von ihrem Vater verabschieden muss, stark mitfühlen. Ich glaube aber ohnehin, dass Empathie der Schlüssel zum Schauspiel ist.“
Seydoux stammt aus einer wohlhabenden Familie, die innerhalb der französischen Filmindustrie großen Einfluss genießt. Die Schauspielkarriere war für sie trotzdem keineswegs ein Kindheitstraum, erzählt sie mit weicher Stimme: „Das klingt jetzt vielleicht seltsam, aber ich empfinde mich nicht als professionelle Schauspielerin. Jedes Mal, wenn ich an einem neuen Film arbeite, fühle ich mich wie neu: Als wäre es mein erster Film.“
Als Kind reiste die kleine Seydoux viel in der Welt umher – und hat „dabei gelernt, mich anzupassen. Ich fühle mich ein bisschen wie ein Chamäleon. Ich verwandle mich gerne.“
Neue Emmanuelle
Die Bandbreite von Seydouxs Werkregister ist weit: Sie reicht vom Hollywood-Mainstream wie „Mission: Impossible – Phantom Protokoll“ bis hin zu Cronenbergs Body-Horror „Crimes of the Future“ oder österreichischem Arthousekino wie Jessica Hausners „Lourdes“: „Das Kino hat seine eigene Sprache. Ich kenne keine Grenzen und möchte jede Art von Film ausloten. Filme helfen mir, die Welt zu verstehen. Deswegen liebe ich das Kino so sehr.“
Ihre nächste große Rolle ist das Revival des Erotikklassikers „Emmanuelle“, das sie mit Regisseurin Audrey Diwan („Das Ereignis“) dreht: „Es geht um eine moderne Frau und um weibliches Begehren. Ich freue mich sehr darauf.“